Erschließungsbeiträge für 25 Jahre alte Straße gefordert: Darf die Kommune das?

Wenn Grundeigentümer Erschließungsbeiträge für eine neue Straße zahlen müssen, erregt das oft großen Unmut. Ganz besonders verständlich ist das dann, wenn die Gemeinde die Rechnung erst Jahrzehnte nach dem Straßenbau verschickt. Kann das überhaupt legal sein? Ein Eigentümer aus Rheinland-Pfalz hat nicht locker gelassen – jetzt muss sich das Bundesverfassungsgericht damit befassen.

Wenn Grundeigentümer Erschließungsbeiträge für eine neue Straße zahlen müssen, erregt das oft großen Unmut. Ganz besonders verständlich ist das dann, wenn die Gemeinde die Rechnung erst Jahrzehnte nach dem Straßenbau verschickt. Kann das überhaupt legal sein? Ein Eigentümer aus Rheinland-Pfalz hat nicht locker gelassen – jetzt muss sich das Bundesverfassungsgericht damit befassen.

Leipzig. Darf eine Gemeinde von einem Grundeigentümer Erschließungsbeiträge für den Bau einer Straße erheben, die schon seit 25 Jahren existiert? Mit dieser Frage muss sich jetzt das Bundesverfassungsgericht befassen. Denn gelegentlich versuchen Kommunen so etwas tatsächlich – einen solchen Fall hatte jetzt das Bundesverwaltungsgericht zu beurteilen. Dessen Richter bezweifeln, dass eine de facto unbefristete Erhebung von Beiträgen mit dem Grundgesetz vereinbar ist und legten den Fall dem Bundesverfassungsgericht vor (Beschluss vom 06.09.2018, Az.: 9 C 5.17).

Der Fall dreht sich um Grundstücke in einem Gewerbegebiet in Rheinland-Pfalz. Sie liegen an einer vierspurigen Straße, die im Jahr 1986 entstanden ist. Eine vierspurige Fortführung der Straße war damals geplant, wurde aber 1999 aufgegeben. In den Jahren 2003 und 2004 baute die Kommune die Straße schließlich zweispurig weiter. Erst im Jahr 2007 widmete die Gemeinde die Straße auf ganzer Länge dem öffentlichen Verkehr. Im Jahr 2011 bekam der Grundstückseigentümer Post: Er soll Erschließungsbeiträge von insgesamt etwas mehr als 70.000 Euro zahlen.

Erschließungsbeiträge nach 25 Jahren: Womöglich verfassungswidrig

Als die Bescheide ins Haus flatterten, war die Straße also bereits 25 Jahre alt. Der Eigentümer ging davon aus, dass die Kommune ihn so spät nicht mehr zur Zahlung verdonnern kann und klagte. In den ersten Instanzen hatte er keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht Koblenz meinte, es wären immerhin noch keine 30 Jahre ins Land gegangen. Außerdem hätten sich keine besonderen Umstände ergeben, die den Grundeigentümer zu dem Schluss hätten bringen können, er werde für den Straßenbau nichts mehr zahlen müssen.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig sah das anders. Es setzte das Verfahren aus und gab den Fall nach Karlsruhe ans Bundesverfassungsgericht weiter. Die Leipziger Richter stellten fest: Nach dem Kommunalabgabengesetz (KAG) des Landes Rheinland-Pfalz verjähren die Beitragspflichten bereits vier Jahre, nachdem der Anspruch entstanden ist. Diese Frist beginnt aber erst mit der öffentlichen Widmung der Straße. Und das kann – wie in diesem Fall – durchaus erst Jahrzehnte nach ihrer Errichtung passieren.

Rechtsprechung sagt: Gar keine Frist ist keine Lösung

Soll heißen: Das Landesrecht ermöglicht so gesehen tatsächlich, die Beiträge zeitlich unbefristet zu erheben. Mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kamen die Richter in Leipzig zu dem Schluss, dass eine solche Regelung verfassungswidrig ist. Sie verstößt nach ihrer Ansicht nämlich gegen  das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und –vorhersehbarkeit.

Demnach muss der Gesetzgeber irgendeine zeitliche Grenze für die Erhebung von Abgaben setzen. Die 30 Jahre, von denen das Oberverwaltungsgericht ausgegangen war, hat in der Rechtsordnung keine ausreichende Grundlage – so jedenfalls sieht es das Bundesverwaltungsgericht. Es bleibt jetzt abzuwarten, wie Karlsruhe den Fall einordnen wird.

Dieser redaktionelle Beitrag wurde von Haus & Grund Rheinland verfasst.

Hinweis: Entscheidungen der Rechtsprechung sind sehr komplex. Eigene juristische Bewertungen ohne fachkundige Kenntnis sind nicht empfehlenswert. Ob dieses Urteil auch auf Ihren Sachverhalt Anwendung findet, kann Ihnen als Mitglied daher nur ein Rechtsberater in einem Haus & Grund – Ortsverein erklären.

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